Wenn ich meine Liste der unabhängigen Medien, die ich regelmäßig lese bzw. höre, einmal im Jahr hier veröffentliche, möchte ich damit für die Arbeit der Journalist*innen und Publizist*innen danken. Und ich möchte andere dazu anregen, diese Medien zu entdecken und im besten Fall auch zu abonnieren. Sie sind auf die Finanzierung durch ihr Publikum angewiesen, weil das mindestens ein Standbein ihrer Kostendeckung ausmacht. Ich halte sie für sehr wertvoll, weil sie in ihrer Vielfalt die Medienlandschaft bereichern, thematische Nischen füllen und mit neuen Formaten experimentieren.

Wöchentliche Podcasts

In diesem Jahr hat sich wenig geändert an meinem persönlichen Medienmenü. Gab es in diesem Jahr wirklich weniger Neugründungen dieser Medien, Podcasts, Online- und auch Print-Magazine? Oder hat sich nur meine Mediennutzungszeit und damit auch meine Aufmerksamkeit verringert?

Neu hinzugekommen in meine Liste ist im Laufe des Jahres der Podcast Piratensender Powerplay, den ich in Ergänzung zum Klassiker-Politik-Podcast „Lage der Nation“ allerdings schon länger höre. Erst seit diesem Jahr aber gibt es eine Unterstützungsmöglichkeit über das Portal Steady. Samira el Ouassil und Friedemann Karig blicken gründlich, differenziert und dabei immer noch sehr unterhaltsam auf aktuelle politische, kulturelle und gesellschaftliche Phänomene. Die klugen Analysen heben sie für mich von der tagesaktuellen Berichterstattung immer wieder ab – ich habe viele gute Denkanregungen aus den Folgen mitgenommen. Abonnent*innen tragen dazu bei, dass alle den Podcast frei hören können. Sie erhalten zusätzlich Zugang zu Exklusivfolgen, in denen abwechselnd Samira und Friedemann, mal auch beide, ein Thema herauspicken, um sich noch tiefergehend damit zu beschäftigen. Oder Friedemann Karig liest einfach das neue Vorwort vor, das in dem noch zu erscheinenden Taschenbuchband des empfehlenswerten Werks der zwei, „Erzählende Affen“,erscheinen wird.

Nachtrag: Heute am 4. Januar erhalte ich die Nachricht, dass der Dissens-Podcast nur wegen der Elternzeit seines Hosts, Lukas Ondreka. Eine gute Nachricht, und auf jeden Fall hat er damit hier einen Platz im Menü. Einmal in der Woche unterhält sich der Journalist und Fotograf aus Konstanz „mit Autorinnen, Forschern, Aktivistinnen und Politikern über Kapitalismus, Politik und Gesellschaft“. Dabei liegt der Fokus stets auf dem, was nicht gut läuft und wie es sich ändern könnte – meistens verbunden mit einer Kritik an kapitalistischen Glaubenssätzen.

Gegen Fake-News zu Gesundheitsthemen

Für das Online-Magazin „Medwatch“ habe ich zu Ende des Jahres mein Standard- in ein Retter-Abo umgewandelt. Medwatch ist auf mehr Abos angewiesen, um auch in Zukunft weiter bestehen zu können. (Disclaimer: Bei Mann beißt Hund durften wir einen kleinen Teil zur Rettungskampagne beitragen). Ich hoffe, dass viele den Wert der Arbeit des Teams erkennen. Denn auch wer sich selbst für aufgeklärt genug hält, um den Falschinformationen nicht zum Opfer zu fallen, findet hier gute Argumente, um andere zu überzeugen.

Das Team um Gründerin Nicola Kuhrt hat sich inzwischen erweitert – und das bildet sich auch in der Themenvielfalt ab. Regelmäßig gibt es Erfolgsmeldungen: Die Berichterstattung wirkt. Unter anderem wurde ein Buchauszug zurückgezogen, in dem es hieß, Intervallfasten schütze vor Corona. MedWatch hatte darüber im Juni dieses Jahres berichtet. In Kooperation mit den WDR Quarks Science Cops hatte das Team in diesem Jahr unter anderem die irreführende Kommunikation und das rechtswidrige Marketing des Herstellers von Nahrungsergänzungsmitteln „More Nutrition” aufgedeckt. Bemerkenswert fand ich zu lesen, dass auch der YouTube-Star Rezo seine Reichweite dazu hergegeben hatte, um für die Produkte zu werben. Weitere wichtige Themen des Magazins sind unter anderem die Mangelernährung in Kliniken, fehlende Diagnostik und Anlaufstellen für Long-Covid-Patient*innen und Falschinformationen/Verschwörungserzählungen in Podcasts wie der Show „The Joe Rogan Experience“, die auf Spotify rund elf Millionen Menschen erreicht. In Zeiten, in denen immer mehr Verbraucher*innen ihre Gesundheitsinformationen im Netz finden, halte ich ein Watchblog wie Medwatch für unverzichtbar.

Literatur-Podcast

„Das Lesen der Anderen“ von Christian Möller hat mich etwas darüber hinweggetröstet, dass Christian seinen „Durch-die-Gegend“-Podcast bei Viertausendherz beendet hat. Unterstützer*innen des Lesepodcasts tragen dazu bei, dass regelmäßig sehr schöne Gespräche über die prägenden Lektüren prominenter Menschen zu hören sind. Zusätzlich erfahren sie in exklusiven Episoden, was „das Schreiben der Anderen“ ausmacht. Ich hatte darüber Zugang zu der Folge, in der Christian mit dem Musikjournalisten Joachim Hentschel über Pop und Politik in der BRD und DDR spricht. Hentschel hat im ausgehenden Jahr ein Buch über die Musikgeschichte im geteilten Deutschland herausgebracht: „Dann sind wir Helden“. Allein das Gespräch der beiden hat die Mitgliedschaft gelohnt – neben dem Bewusstsein, dass es Podcasts wie diese nur mit der Unterstützung durch die Community geben kann. 

Berichterstattung in Meck-Pomm

Katapult-MV ist angetreten, eine neue Form der Berichterstattung in „Meck-Pomm“ oder „Meck-Vorp“ zu ermöglichen. Die Printausgabe erscheint parallel zum Online-Magazin einmal im Monat für Abonnent*innen. Die Medienlandschaft in der Region erschien den Macher*innen von Katapult erweiterungsbedürftig: Die Ostseezeitung trenne nicht klar Journalismus von Werbung. Dem Nordkurier werfen sie vor, rassistische Tendenzen zu verbreiten.

Da wir regelmäßig im Land unterwegs sind, gibt es bei uns zuhause ein Familienabo. Nicht nur die Texte, auch die Infografiken, Steckenpferd der Katapult-GmbH, sind großartig. Die Themenauswahl ist überzeugend und scheint gut anzukommen: Sieben festangestellte Mitarbeiter*innen, vor allem wohl Redakteur*innen, können ausschließlich über die Abos aus der Leserschaft finanziert werden. Ich hoffe sehr, dass der Erfolg anhält. 

Kultur online

„54 books“ ist mein Kulturmagazin. Der Titel ist irreführend, wenn er suggeriert, es könne sich um ein reines Literaturmagazin handeln.  Hier schreiben gute Autor*innen lesenswerte Beiträge über kulturelle Phänomene rund um Social Media, Buchbetrieb, Serien, Film etc. Die Rezension von Christina Dongowski über das Buch von Kolja Reichert „Kann ich das auch? 50 Fragen an die Kunst.“ hat zum Beispiel einen Spontan-Weihnachtswunsch ausgelöst, der dann zum Glück auch erfüllt wurde. Die Beiträge behandeln Phänomene wie das deutsche Problem mit dem Tempolimit aus kultureller Perspektive, geben Orientierung in der „Social-Media-Benimmkolumne“ („Warum Drükos peinlich sind“) und schreiben – das dann auch – neben Buchrezensionen auch zu ganzen Genres bzw. Kategorien der Literatur („Auch Kinder verdienen Dramaturgie – was gute Kinderbücher ausmacht“). Einmal im Monat kooperiert „54 books“ mit dem Feuilletonpodcast des Deutschlandfunk Kultur und trifft sich zum Gespräch „über Literatur, Kultur und andere Dinge“. „Lesen und trotzdem nichts wissen – warum vergessen wir Bücher“ ist eine Episode, die ich unbedingt noch nachhören möchte.

Was (hoffentlich) bleibt und kommt

Bei einzelnen Medien sind seit längerem keine Ausgaben mehr erschienen – ich hoffe, dass es nur Pausen sind und würde sie wieder aufnehmen, sobald es aktuelle Informationen gäbe.

Was zum Glück bleibt und mit der Regelmäßigkeit beruhigt und bindet, sind meine Klassiker: Übermedien – Medien besser kritisieren, Was-denkst-du-denn-Podcast zum Mit- und Nachdenken und das Blog von Maximilian und Maret Buddenbohm, Buddenbohm und Söhne. Immer wieder neu überraschend und stets bereichernd. Gut, dass es sie gibt. 

Das Social-Media-Watchblog kommt neu in die Liste – und ist darin längst überfällig. Zweimal in der Woche bereiten die Journalisten Martin Fehrensen und Simon Hurtz die wichtigsten News und Debatten rund um Social Media in einem Newsletter auf. Über Steady lässt sich das in einem Probemonat auch testen.

Und die großartigen Riffreporter dürfen hier natürlich auch nicht fehlen, gehören aber im neuen Jahr wohl zu den Medien, die wir in der Agentur abonnieren. Ein Hinweis auf die vielen großartigen Texte von Wissenschaftsjournalist*innen gehört deshalb unbedingt auf die Menükarte. Sie füllen die Lücke, die in den klassischen Medien entstanden ist, seit dort entsprechende Formate, Plätze und auch Stellen zunehmend gestrichen werden.

Übersicht

54 books

Buddenbohm und Söhne

Das Lesen der Anderen

Dissens-Podcast

Katapult-MV

Lage der Nation

Medwatch

Piratensender Powerplay

Social-Media-Watchblog

Übermedien

Was-denkst-du-denn-Podcast