Vor gut drei Jahren flüchtete der damals 32-jährige Ali gemeinsam mit seinem neunjährigen Neffen Husam von Jarmuk in Syrien nach Deutschland. In Hamburg versuchen sie seitdem, Fuß zu fassen. Inzwischen lebt auch Husams Mutter Alya in der Stadt. Die Suche nach einem Zimmer und einer Wohnung könnten zur Schicksalsfrage werden. Die Geschichte einer Familie auf der Flucht, die immer noch auf ihr Happy-End wartet.

Vor drei Jahren habe ich hier das erste Mal über Husam und seinen Onkel Ali Hassan geschrieben. Die zwei waren im Sommer 2015 zu zweit aus Syrien nach Deutschland geflüchtet. Husams Mutter war bei seinen drei Geschwistern in Syrien geblieben – vor allem wegen ihrer dreijährigen Tochter, mit der sie die Flucht nicht gewagt hätte. Zudem fehlte das notwendige Geld, damit alle hätten flüchten können. Alyas Mann, Husams Vater, war schon vor zwei Jahren bei einem Bombenangriff gestorben.

Ali_Husam_Ankunft

Unnachgiebige Behörden

In Hamburg sollten Onkel und Neffe gleich nach ihrer Ankunft getrennt werden. Husam galt nach deutschem Recht als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling und sollte in Hamburg bleiben. Ali dagegen war für die Erstaufnahme in Friedland/ Niedersachsen eingeteilt worden. Nur dadurch, dass sie eine Zeitlang dem regulären Eingliederungsprozess entzogen worden waren, konnte diese Trennung verhindert werden. Es hatten sich private Unterstützer*innen zusammengeschlossen, die verhindern wollten, dass Ali den ihm anvertrauten Neffen alleine zurücklassen musste. Die beiden wohnten über ein Jahr lang in einem Zimmer in einem Wohnprojekt in Hamburg/ Eimsbüttel. Ende 2016 konnten sie dann eine kleine Wohnung in Barmbek beziehen, die ein privater Vermieter für zwei Jahre zur Verfügung gestellt hatte.

Tragische Entscheidungen

Als Anfang dieses Jahres endlich Husams Mutter nach Deutschland nachkommen konnte, gab es kurz so etwas wie Hoffnung. Nach fast zwei Jahren Trennung durfte Husam endlich seine Mutter wieder in die Arme schließen. Ein großer Moment, in dem aber keiner von beiden wirklich tiefe Freude oder Erleichterung empfand: Sie mussten an die Geschwister von Husam denken, die bei der Großmutter in Syrien hatten bleiben müssen.

Husam_Alya

Alya hofft seitdem, dass sie ihre Kinder irgendwann wird nachholen dürfen. Sie hofft, und ist zugleich krank vor Angst. Denn in Syrien sind ihre Kinder weiterhin Gefahren ausgesetzt. Alya erlebt nun von der anderen Seite die belastende Ungewissheit, nicht zu wissen, was mit ihnen geschieht, wie es ihnen geht. Nicht zu wissen, ob und wann sie sie wiedersehen wird. Sie muss sich, wie schon 2015, als sie Husam hat ziehen lassen, erneut fragen, ob sie die falsche Entscheidung getroffen hat.

Keine Perspektive auf Familiennachzug

Ab Januar wird Alya mit Husam aus der Wohnung in Barmbek in eine Unterkunft ziehen. Damit Husams Geschwister nach Hamburg nachkommen dürften, müsste Alya Wohnraum für sich und ihre vier Kinder nachweisen. Wohnraum, auf den sie nur einen Anspruch hat, wenn sie darstellen kann, dass sie mit fünf Menschen dort einziehen wird. Drei dieser Menschen aber musste sie in Syrien zurücklassen. Sie dürfen nur dann nach Hamburg kommen, wenn es hier eine Wohnung für sie gibt, so sind die Vorschriften. In dieser Endlosschleife bewegt sich Alya, die ganze Familie, seit Monaten.

Zermürbende Verantwortung

Ali ist verzweifelt. Er war drei Jahre lang nicht nur für Husam, sondern auch für seine Schwägerin und für seine Familie in Syrien verantwortlich. Zudem wartet er auf seine Frau, die ebenfalls nach Deutschland einreisen möchte. Anders als Alya, deren Asylverfahren noch läuft, hat Ali keinen Anspruch mehr auf eine Wohnunterkunft und muss nun bis Ende des Jahres ein Zimmer finden. Gelingt ihm das nicht, müsste er sich von Anouschka trennen. Die Hündin ist seit eineinhalb Jahren seine emotionale Stütze – alle, die Ali kennen, wissen, wie sehr ihn das treffen würde.

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Die Unterstützer*innen um die Familie hoffen nun auf ein kleines Wunder – so wie es sich schon einmal ereignet hatte, als vor zwei Jahren ein privater Vermieter sich nach einem NDR-Bericht über Ali und Husam gemeldet hatte, und ihnen eine Wohnung zur Verfügung gestellt hatte.

Helfende fühlen sich hilflos

„Es ist schon frustrierend“, sagt eine Helferin. „Da begleiten wir diese Menschen nun schon so lange, bringen in verschiedenen Konstellationen und Umfang Zeit, Kontakte und auch unser Wissen ein. Und doch können wir nicht verhindern, dass ihnen das Wichtigste, was sie für ihr Ankommen in Deutschland brauchen, weiter verwehrt bleibt: die Zusammenführung der Familie.“

Hier leben ja – als Familie

Husam ist der einzige, der den Eindruck vermittelt, in Hamburg schon eine zweite Heimat gefunden zu haben. Er spricht fließend deutsch, geht seit Herbst 2015 durchgängig in eine Schule, hat gute Freunde gefunden, mit denen er sich trifft, Fußball spielt und auch mal über seine Sorgen austauscht. In der Stadtteilschule, die er seit diesem Schuljahr besucht, geben seine Lehrer ihm sehr gute Prognosen. Er wurde zum Klassensprecher gewählt und möchte gerne für immer in Hamburg bleiben. Zum Happy End fehlt ihm nur noch, nach Jahren der Trennung endlich mit seiner ganzen Familie hier leben zu dürfen.

Unterstützung gesucht

Wer Alya, Ali und Husam und ihre Familien unterstützen möchte: Ali braucht im kommenden Jahr eine ein-Zimmer-Wohnung, Alya und Husam eine Wohnung für fünf Personen.

Ali hat in Deutschland bereits gearbeitet: Er war als Bauhelfer und Hausmeister angestellt. In Syrien hat er ganze Häuser gebaut – hier in Deutschland hat er unter anderem schon Malerarbeiten übernommen, im Trockenbau gearbeitet und diverse Bau-, Zimmer- und Gartenarbeiten ausgeführt. Ali lernt Deutsch, kann sich verständigen und versteht inzwischen recht viel von dem, was er in Gesprächen hört.

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