Wenn über so genannte „Fakenews“ diskutiert wird, geht es meistens um bewusst platzierte Fehlinformation mit politischem Hintergrund. Doch auch im medizinischen Bereich sind diese ein großes Problem, dessen Ausmaße wachsen, je mehr Menschen Informationen zur Gesundheit direkt im Internet und über Social-Media-Kanäle suchen. Absender unseriöser Heilsversprechen oder organisierte Impfgegner haben hier ein leichtes Spiel, wenn sie die Verbraucher*innen direkt und ungefiltert erreichen.

Das journalistische Start-up MedWatch ist angetreten, dagegen zu wirken. Die beiden Gründer*innen, Nicola Kuhrt und Hinnerk Feldwisch, arbeiten als freie Medizinjournalist*innen und stoßen dabei immer wieder auf bewusst gesetzte Fehlinformationen. Sie beobachten, dass Verbraucher*innen sich viel zu oft davon täuschen lassen und Verantwortliche im Gesundheitssystem viel zu wenig dagegen unternehmen. Das war für sie Anlass genug, MedWatch zu gründen.

Die beiden kooperieren dabei mit Partnern, möchten aber finanziell unabhängig bleiben und setzen für die Finanzierung des noch im Aufbau befindlichen Online-Magazins auf ein Crowdfunding. Bei Steady kann man MedWatch mit einer monatlichen Summe in ihrer Arbeit unterstützen. Knapp zwei Drittel des monatlich gesetzten Funding-Ziels von 1.500 Euro sind bis jetzt (Stand Anfang Oktober 2018) schon erreicht.

Ich habe mit Nicola und Hinnerk gesprochen, die ich kennen gelernt habe, als wir sie im Team von Mann beißt Hund bei der Logo- und Claimentwicklung von MedWatch unterstützt haben.

Was war für euch der Auslöser, MedWatch zu gründen?

In den vergangenen Jahren haben wir beobachtet, wie sich irreführende und falsche Informationen zu Gesundheitsthemen in den Sozialen Medien und im gesamten Internet immer schneller verbreiten. Als Medizinjournalisten haben wir oft miterleben müssen, dass derartige Berichterstattung und irreführende Werbung bedrohliche Folgen für die Gesundheit haben kann. Dazu kam die Entwicklung, dass es für viele Verbraucher in der schieren Masse täglicher Informationen zu Gesundheit, neuen Arzneimitteln und Therapien immer schwerer wird, verlässliche Inhalte zu erkennen, gesundheitspolitische Entwicklungen zu verstehen oder sich als Patient die richtigen Anregungen und Hilfen zu holen. Das wollen wir ändern. Daher wollen wir ein Online-Magazin aufbauen, um beispielsweise zu recherchieren, welche Geschäftemacher hinter den Angeboten stehen und welche Tricks sie nutzen, um ihre Produkte und Therapien anzupreisen und zu verkaufen.

Über bewusst gestreute Fehlinformation im politischen Bereich ist schon viel berichtet worden – glaubt ihr, dass es ein ähnliches Bewusstsein dafür zu Gesundheitsthemen gibt?

Ein Bewusstsein für „Fakenews“ zu Gesundheitsthemen gibt es bei vielen Menschen bislang offenbar kaum, wenn man sich ansieht, wie oft fragwürdige Beiträge verbreitet werden – es bildet sich eher derzeit langsam aus. Dabei sprechen wir lieber von schlechten bis schädlichen Gesundheitsinformationen, denn das sind die Informationen, die dem User im Netz begegnen. Was genau schlechte und schädliche Gesundheitsinformationen ausmacht und warum bislang so wenig hiergegen vorgegangen wird, erarbeiten wir derzeit zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung.

Ist es angesichts der Menge an gesundheitlichen Falschinformationen im Netz nicht nahezu vermessen, als Start-up zu zweit dagegen ankämpfen zu wollen?

Natürlich gibt es große Herausforderungen – nicht zuletzt, da die vielen Anbieter im Netz sich ständig weiterentwickeln. Wir haben aber gemerkt, dass wir auch mit einem kleinen Team schon einiges erreichen können – gleichzeitig arbeiten wir mit weiteren Kollegen wie auch großen Medien zusammen. Es ist unser Anspruch, ein Bewusstsein zu schaffen, bei den Lesern aber auch auf Seiten der Politik und den Verantwortlichen im Gesundheitssystem, die das Ausmaß und die Bedeutung der Gesundheitsinformationen im Netz noch nicht wirklich wahrnehmen. Wir möchten hier Dinge in Bewegung bringen. Damit langfristig Strategien entstehen, die funktionieren und Verbraucher besser schützen können.

Um unabhängig arbeiten zu können, wollt ihr euch über ein Crowdfunding finanzieren – reichen die angesetzten 1.500 Euro im Monat für zwei Journalisten, um ein Online-Magazin auf die Beine zu stellen?

Die 1.500 Euro stellen unser erstes Ziel dar. Damit können wir schon einiges bewegen. Für die Zukunft planen wir aber bereits weitere Aktionen, um auch größere Recherchen finanzieren zu können.

Ihr recherchiert bewusst platzierte Falschinformationen und klärt darüber auf. Ist diese Art des Korrektivs nicht grundsätzlich auch eine Aufgabe für Journalist*innen klassischer Medien?

Auch traditionelle Medien recherchieren bislang immer mal wieder zu Themen, über die wir ebenfalls berichten. Wir wollen das Feld aber umfassend im Auge haben und langfristig dranbleiben, was im traditionellen Nachrichtengeschäft oftmals leider kaum gelingt.

Wie stellt ihr sicher, dass ihr mit MedWatch tatsächlich auch die Menschen erreicht, die schlechte nicht von seriösen Informationen unterscheiden können?

Wir sind uns des Problems natürlich bewusst – und haben eine dreigeteilte Strategie, um die Menschen außerhalb unserer Blase zu erreichen.

  1. Unsere Texte sollen gut verständlich und für alle erreichbar sein, also auch für die, die Quacksalber und Geschäftemacher mit ihren Produkten erreichen wollen – wir möchten sie sowohl informieren als auch emotional erreichen.
  2. Wir werden unseren Webauftritt so optimieren, dass wir bei den Themen unserer Recherchen bei Google und Co. weit oben landen und auch durch eine Aufnahme in „Google News“ für eine möglichst weite Verbreitung sorgen.
  3. Wir möchten durch weitere Kooperationen mit großen Medien wie „Stern“ oder dem ARD-Politmagazin „Kontraste“ auch Menschen erreichen, die ansonsten vielleicht nicht auf unsere Webseite kommen.

Außerdem haben wir MedWatch von Beginn an am Nutzen für unsere Leser sowie die Allgemeinheit ausgerichtet. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir Anregungen unserer Leser aufnehmen – die uns bereits jetzt erreichen – und die Hintergründe dieser Meldungen recherchieren. Mit unserem Crowdfunding haben wir zusätzlich begonnen, eine Community aufzubauen. Mit dieser werden wir MedWatch im engen Kontakt weiter entwickeln.

Hattet ihr ein Vorbild für MedWatch?

Nein, eigentlich nicht. Wir haben uns ja gegründet, weil wir ein solches Angebot vermissten. Wir orientieren uns aber natürlich an anderen journalistischen Start-ups und Anbietern evidenzbasierter Medizinnews.

Was sind eure weiteren konkreten Pläne mit MedWatch?

Wir bauen unsere Community auf! Unser Angebot richtet sich insbesondere an zwei Zielgruppen: Einerseits die Leser, die wir über Suchmaschinen oder Beiträge in den sozialen Medien ansprechen oder die zufällig zu uns stoßen. Und andererseits an die Community, die uns sowohl finanziell unterstützt als auch inhaltlich eingebunden ist. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Ärzte, die fassungslos sind angesichts der Informationen, denen ihren Patienten ausgesetzt sind. Oder um Interessierte, die das Feld der Humbug-Medizin kritisch beobachten – sowie um Betroffene, die selbst, deren Familienmitglieder oder Freunde auf „alternative“ Therapien hereingefallen sind. Ihnen allen ist gemein, dass sie das Bedürfnis haben, den um sich greifenden irreführenden Angeboten etwas entgegenzusetzen und dass sie selber Wissen und Erfahrungen auf diesem Bereich beisteuern können.

Mit der Community wollen wir daher in Austausch und Diskussion kommen, um einerseits unser journalistisches Angebot zu bereichern und es auf die Interessen der Unterstützer auszurichten. Darüber hinaus wollen wir sie als Leser und Unterstützer gewinnen und binden. Im Juni haben wir dazu ein Crowdfunding gestartet. Jeder, der MedWatch mit einem kleinen Abo unterstützt, wird automatisch Teil der Community und kann seine Erfahrungen und Ideen einbringen. Mit dem Plan, eine Art „MedWatch-Club“ aufzubauen, wurden wir jetzt auch in die „MasterClass“ für Wissenschaftsjournalisten der Bosch Stiftung aufgenommen, was wirklich toll für uns ist. Zusammen mit Experten und Kollegen können wir diese richtige Strategie dafür in den nächsten Wochen planen und umsetzen.

Weitere Informationen: www.medwatch.de

Im Video für Unterstützer*innen erklären die MedWatch-Gründer, was sie vorhaben:

https://youtu.be/d8IlNHyz2KM

Wer MedWatch unterstützen möchte, kann bei Steady ohne großen Aufwand ein monatliches Abo einrichten und selbst entscheiden, ob es 3,50 Euro, 5,50 Euro oder 19,50 Euro umfassen soll.

Eine direkte Spende ist auch möglich: DE97 4306 0967 2073 2794 00;
GLS-Bank (BIC: GENODEM1GLS)

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