Ein bewegter Monat, unter anderem gab es eine Bundestagswahl. Ich fand es am Ende ziemlich anstrengend, den so sehr auf die Kandidat*innen fokussierten Schlagabtauschen noch zu folgen und war eigentlich ganz froh, dass wir nun erst einmal in eine andere Phase der Ungewissheit gewechselt haben.

Der Wahlkampf ist auch eine wahnsinnige Belastung für alle Beteiligten, ich dachte daran, als mir Anfang September ein Tweet von Peter Altmaier in die Timeline kam, der sich aus dem Krankenhaus meldete:

Im Redaktionsnetzwerk Deutschland hat Felix Huesmann Altmeiers Ausfall zum Anlass genommen, zur Belastung von Politiker*innen zu schreiben und stellt fest: 

„Schwäche zeigt kaum ein Politiker gerne – schon gar nicht im Wahl­kampf.“ 

Felix Huesmann, Redaktionsnetzwerk Deutschland, „Wenn Politik krank macht“, 7.9.2021

Dabei gehören Krankheiten zum Leben, somit auch in die Arbeitswelt. “Neue Narrative“, das „Magazin für Neues Arbeiten“ thematisiert in der neuen Ausgabe mit dem Schwerpunkt Gesundheit, was für eine irrige Vorstellung dahintersteht, wir könnten nur „gesund“ arbeiten. 

„Die meisten von uns sind direkt oder mindestens in ihrem Umfeld von signifikanten Abweichungen dessen betroffen, was man als vollständig gesund bezeichnen würde.“

Neue Narrative, Heft #12, Check in

Das Team von Neue Narrative hat einen Selbstversuch gestartet und die Krankheiten aller anonym abgefragt und geclustert. 

„Im Zuge dessen haben wir viel gelernt und festgestellt, dass es mehr Sinn ergibt, den Job an die Bedürfnisse des Individuums anzupassen als die gleiche Schablone von ‚Erwerbsarbeit‘ allen Menschen überzustülpen.“

Neue Narrative, Heft #12, Check in

Den Job an die Bedürfnisse des Individuums anzupassen – das finde ich bei uns in der Agentur, aber auch in vielen anderen Bereichen eine ziemlich große Herausforderung, und doch ein Anspruch, den man im Blick haben sollte. Vereinbarkeit bedeutet auch, das Arbeitsleben an den gesundheitlichen Voraussetzungen der Mitarbeiter*innen zu orientieren.

Manuela Schwesig, eine der Siegerinnen im Wahlmonat September, hat gezeigt, wie ein offener Umgang mit Krankheit auch zur Stärke werden kann. Offen bedeutet dabei nicht, jedes Detail der Krankheit auszubreiten. Nachdem sie ihre Krebsdiagnose einmal bekannt gemacht hatte, hat sie Diskretion für sich beansprucht. Geschadet hat es ihr offensichtlich nicht, und ich erinnere mich, dass es einzelne gab, die das damals befürchtet hatten.

Arbeit

Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass mich das Thema Gesundheit und Arbeit im September beschäftigt hat, denn im Herbst ist in der Agentur meistens besonders viel los. Gerade dann ist es wichtig, das Wohlergehen aller im Auge zu behalten. Bestehende Projekte laufen weiter neben den Vorbereitungen für neue, auf die wir uns bewerben – häufig in größeren Ausschreibungsprozessen. Die sind aufwändig, oftmals bürokratisch, aber eben auch spannend, weil sie im besten Fall neue Themen, Aufgaben, Menschen – Veränderungen bringen.

Zum Ausgleich haben uns in der Agentur mitten im belebten Monat September einen Tag frei genommen und uns nach eineinhalb Jahren das erste Mal wieder alle zusammen draußen getroffen. Wir hatten endlich mal wieder Gelegenheit für das beiläufige Plaudern, was hier ganz wörtlich zu verstehen ist: Wir haben den Tag draußen an der Elbe mit einem kleinen, kurzen Gehtraining verbunden. Elke Schmid, Trainerin für gutes Gehen, hatte ich bei einem meiner ersten Interviews für meinen Podcast „Lob des Gehens“ im letzten Jahr schon kennen gelernt. Ich kann das Training sehr empfehlen, vor allem auch als Event für Gruppen: Wir hatten viel Spaß dabei.

Sehr anregend war in der Agentur auch der Input von Dirk von Gehlen zum Thema Kreativität. Er war gleich zweimal unser Gast: in unserer internen Weiterbildung „Hundeschule“ und beim öffentlichen Stammtisch Wissenschaftskommunikation. Dirk hat das lesenswerte Buch „Anleitungen zum Unkreativsein“ geschrieben, in dem er gute Anregungen gibt, wie wir Kreativität trainieren können. Mir gefällt die Idee, Kreativität mit dem Bild des Muskels zu entmystifizieren. Wir werden nicht kreativ geboren, sondern es hat sehr viel mit einer offenen Haltung, Übung und der Umgebung zu tun, in der wir arbeiten, ob „die Ideen uns finden“, wie Dirk es sagt. Gerade deshalb fand ich es wichtig, dass wir uns als Team die Zeit genommen haben, zusammen über Kreativität zu sprechen und uns anregen zu lassen. Das war unterhaltsam, aktivierend – und hat eine gemeinsame Basis geschaffen, auf die wir uns jetzt auch in der Zusammenarbeit, so hoffe ich, immer wieder berufen können.

Beim Stammtisch Wissenschaftskommunikation kam heraus, dass Wissenschaft und Kreativität schon in ihrem Wesen viel miteinander gemeinsam haben und dass Humor dabei eine wichtige Rolle spielen könnte. Einige Tages später bin ich eher zufällig auf ein Gespräch des Schauspielers Alan Alda mit dem Nobelpreisträger Robert Lefkowitz gestoßen, und zwar  in Aldas Podcast „Clear and Vivid“ zu Wissenschaftskommunikation: Auch der Biochemiker unterstreicht die Verbindung von Humor, Kreativiät und Wissenschaft: 

„You put together two things that just don’t go together.”

Robert Lefkowitz, im Podcast Clear and Vivid, 24. August 2021

So beschreibt Lefkowitz die Gemeinsamkeit von großen Entdeckungen in der Wissenschaft, von Kreativität und dem Wesen eines Witzes. Er folgert daraus: „You make a little discovery every time you get a joke“.  Gefällt mir sehr gut.

Podcasts

Nach drei Monaten Sommerpause ist im September eine neue Episode meines Podcasts „Lob des Gehens“ erschienen. Ich hatte mit den beiden Wissenschaftlern Dr. Christian Kurrat und Dr. Patrick Heiser von der Fernuniversität in Hagen über das Pilgern gesprochen. Sie forschen seit Jahren dazu und waren beide auch schon auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela unterwegs. Mir würde, sollte ich mich jemals aufmachen, eher der Jakobsweg in Norwegen zusagen – ich bin schon gespannt auf das Buch von Stefanie Jarantowski, „Abenteuer Olavsweg und habe bereits eine Folge mit ihr geplant, um sie über ihre konkreten Erfahrungen zu befragen. Coming soon.

Für den Podcast „Hamburg hOERt ein HOOU“ haben wir uns im Team mit der HAW-Hamburg Open Online University und mit meinem Ko-Moderator Christian Friedrich zu einem Workshop getroffen und über Formatneuerungen nachgedacht, die wir im kommenden Jahr ausprobieren wollen. Ich bin schon gespannt darauf und freue mich auch hier über Veränderungen.

Als Hörtipp möchte ich eine Episode des FAZ Bücher Podcasts empfehlen, in der die Literaturwissenschaftlerin und Bloggerin Nicole Seifert zu Gast ist. Ihr Buch „Frauen Literatur“ ist in diesem Monat erschienen – sie fragt, warum Frauen in der Literatur eine so nachgeordnete Rolle haben und wie sich das ändern ließe. Ich bin neugierig auf das Buch und habe durch den Podcast noch mehr Lust bekommen, es zu lesen.  

Im Kino

Nach sehr sehr langer Zeit war ich auch endlich mal wieder im Kino! Ich habe den Dokumentarfilm „Hinter den Schlagzeilen“ von Daniel Sager gesehen, den ich sehr empfehle und dem ich viele Zuschauer*innen wünsche. Er nimmt uns mit in den Arbeitsalltag von Bastian Obermayer und Frederik Obermaier, die beide im Investigativ-Ressort der Süddeutschen Zeitung arbeiten und vor allem durch die im Verbund mit mehreren internationalen Medien umgesetzte Recherche der „Panama Papers“ bekannt geworden sind.

Daniel Sager hat die beiden über Jahre hinweg begleitet, intensiv zuletzt bei der Aufdeckung der Ibizia-Affäre, die 2019 zum Bruch der Regierungskoalition in Österreich führte. Der Regisseur muss sich dabei teilweise gefühlt haben, wie die beiden Journalisten bei ihrer Arbeit. Denn auch die wissen oftmals Monate oder länger nicht, ob sich aus den Informationsteilen, die ihnen zugespielt werden, die sie gegenchecken, weiter recherchieren, ergänzen, jemals eine Geschichte wird. Der Film konnte zum Glück produziert werden und macht unter anderem erlebbar, wie sehr das journalistische Ergebnis Teamarbeit ist. Sie fängt bei Whistleblowern an und könnte ohne die Zusammenarbeit mit Jurist*innen und anderen Expert*innen sowie weiteren Kolleg*innen niemals gelingen. Was mich beeindruckt hat: So nah die Kamera den beiden Protagonisten kommt, so schwer ist es, irgendetwas über ihre Gefühle, Ängste, Sorgen und Hoffnungen daraus abzulesen. Es lässt sich durch den Rahmen der Erzählung, durch die Informationen, die wir bekommen, aber durchaus ableiten, was da in den Köpfen vorgehen könnte. Daraus entstand für mich eine große Spannung in diesem sehr ruhigen Film. Keinen Triumph, kein „yess“ nach außen dringen zu lassen, entspricht der Philosophie des Hauses, in dem die beiden arbeiten – und offenbar auch den beiden Journalisten selbst, die angenehm unaufgeregt erscheinen.

Jeder Angriff auf Whistleblower sei auch ein Angriff auf den investigativen Journalismus, sagt Frederik Obermaier gleich zu Anfang. Bei der Hamburg-Premiere war er zu Gast und erklärte im offenen Gespräch, was die Motivation gewesen war, sich über eine so lange Zeit so nah bei der Arbeit begleiten zu lassen: „Wir müssen als Journalisten mehr erklären, was wir machen, wir müssen die Pressefreiheit verteidigen“, sagte er. Anlass zur Verteidigung gibt es mehr als je zuvor: Den Zustand der Pressefreiheit in Deutschland stufte die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ nur noch als „zufriedenstellend“ ein, in der Rangliste von 189 Ländern rutschte die Bundesrepublik zwei Plätze tiefer auf Rang 13.

In der Diskussion kam auch die Frage auf, ob investigativer Journalismus so vorrangig männlich besetzt sei, wie es der Film vermittele. Das konnte korrigiert werden: Frauen seien aber noch zurückhaltender gewesen, sich filmen zu lassen als die Männer, erklärte Frederik Obermaier. Verständlich, wenn man den Film gesehen hat, in dem auch der Mord an Journalistin Daphne Caruana Galizia im Oktober 2017 ein Thema ist. 

Das Schönste …

waren die wundervollen Spätsommer-Wochenenden im September, es gab noch mal Ausflüge ans Meer – ein sehr guter Ausgleich.

Das Letzte

Richard David Precht und Markus Lanz haben einen Podcast gestartet. Es erscheint fast zu einfach, sich darüber lustig zu machen. Ich fand die Kombination der beiden dann schon wieder so absurd, dass ich neugierig geworden bin.

Es gibt einen Ausschnitt, den zumindest ich sehr witzig und sehr bezeichnend finde für den Podcast. Den Rest mag man sich dann wohl sparen.

Richard David Precht: Ich möchte jetzt mal den für den ein oder anderen Zuhörer jetzt nicht ganz einfachen Begriff einführen, aber der ist wichtig, um Politik zu verstehen. Es ist der Begriff der Opportunitätskosten. Den gibt’s in den Wirtschaftswissenschaften.

Markus Lanz: Ich weiß.

(Ausgabe eins, Lanz und Precht, 2. September, ab Minute 8:27)