Der Deutsche Rat für Public Relations kritisiert die Agentur Storymachine für ihre Kommunikation der Heinsberg-Studie

Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR), Organ zur Selbstkontrolle der PR-Branche, hat die Agentur Storymachine von Kai Diekmann, Philipp Jessen und Michael Mronz für die Kommunikation der Heinsberg-Studie gerügt. Nicht nur Menschen aus der Kommunikationsbranche werden die Headlines dieser Nachricht mit Genugtuung lesen, denn die Arbeit der Social-Media-Expert*innen hatte zu Recht heftige Kritik und Empörung provoziert. Die detaillierte Begründung des Gremiums aber enttäuscht in ihrer eher schwachen Argumentation. Sie kann nicht wirklich aufarbeiten, inwiefern die Transparenz in der Kommunikation gelitten hat.

Storymachine hatte im April eine „Dokumentation“ der Heinsberg-Studie des Bonner Virologen Hendrik Streek auf Twitter und Facebook verantwortet – auf eigene Initiative, mit Zustimmung und in Kooperation mit dem Studienleiter sowie finanziell unterstützt durch zwei Unternehmen aus der freien Wirtschaft. Zu den kritikwürdigen Punkten dieser Gemengelage, der Kommunikation insgesamt und den Versäumnissen im Sinne einer guten Wissenschaftskommunikation ist viel geschrieben worden, nachzulesen unter anderem auf dem Portal Wissenschaftskommunikation.de.

Der PR-Rat hatte Mitte April angekündigt, den Fall zu untersuchen, orientiert sich dabei an den Kodizes des eigenen Berufsstandes und formuliert in der Begründung der Rüge im Wesentlichen drei verschiedene Ansätze als „Verdacht“: 

  1. Die Kommunikation von Storymachine sei nicht transparent gewesen, die Social-Media-Account seien nicht ausreichend gekennzeichnet gewesen.
  2. Die Existenz und die Namen der Sponsoren seien erst auf Nachfrage genannt worden.
  3. Durch das Verhalten von Storymachine sei der Branche ein Reputationsschaden entstanden. 

Nach Prüfung aller Fakten und einer Stellungnahme der Agentur (Studienleiter Hendrik Streeck und die Universität Bonn hatten sich nicht geäußert) kommt das Gremium zu dem Schluss, dass eine Rüge nur aufgrund des dritten Punktes gerechtfertigt sei. Die Verantwortlichen begründen die Zurechtweisung von Storymachine mit „der Rufschädigung des Berufsstands durch unprofessionelles Verhalten“. Die ersten beiden Punkte konnten durch die Überprüfung nach Meinung des Gremiums nicht belegt werden. Damit wirkt die Rüge wie eine Pflichterfüllung.

Begründung der Rüge: Unprofessionelles Verhalten

Interessant für die Kommunikationsbranche ist, was der PR-Rat unter Punkt drei genau beanstandet. Offen bleibt, warum er weitere, durchaus kritikwürdige Punkte der Arbeit von Storymachine erst gar nicht in den Katalog aufgenommen hat bzw. nicht weiter verfolgt.

Kritisch sehen die Kommunikationsexpert*innen des DRPR zunächst, dass die Agentur die Relevanz des Themas nicht ausreichend berücksichtigt habe: 

Dabei musste bei professioneller Einschätzung den Beteiligten klar sein, dass die Studienergebnisse große Aufmerksamkeit im politischen und öffentlichen Raum erfahren würden. Somit war ein seriöses und umsichtiges Vorgehen geboten und jede Art von „Verkaufe“ und inhaltlicher Vorbefassung kontraproduktiv. 

DRPR-Verfahren 01/2020 Fall: Heinsberg-Protokolle

Das „somit“ erstaunt an dieser Stelle, insbesondere in einem Text dieses Gremiums: Sollte etwa seriöses und umgehendes Verhalten in der öffentlichen Kommunikation nicht unabhängig vom Grad des öffentlichen Interesses stets als erster Grundsatz gelten? Und warum spricht man hier mehrfach von „Studienvermarktung“, obwohl es doch bei der Vermittlung wissenschaftlicher Ergebnisse gerade nicht um „Verkaufe“ gehen kann, wie der Rat selbst schreibt?

Legitime Methoden?

Die Argumentation, mit der sich die Rüge aus meiner Sicht angreifbar macht, findet sich in der Passage, in der die strategische Herangehensweise von Storymachine beschrieben wird. Diese wird als Hauptvorwurf auch in der Pressemitteilung des PR-Rats hervorgehoben. Hintergrund dazu liefert ein Kommunikationskonzept, das der Zeitschrift Capital zugespielt worden war und in dem die Agentur herausarbeitet, wie ein „Narrativ gesetzt“ werde solle, so dass die Studie den Weg „zurück in die Normalität“ weisen könne. (capital.de, 17. April 2020)

Der PR-Rat kritisiert hier: 

„Dies und weitere vorab formulierten „Messages“ vermitteln den Eindruck, dass es sich bei dem Projekt von Storymachine nicht um eine begleitende Dokumentation gehandelt hat, sondern vielmehr um eine Maßnahme mit dem Ziel, ein vorformuliertes Narrativ in der Öffentlichkeit zu platzieren. Es sei angemerkt, dass ein derartiges Promoten der eigenen Position in Meinungsbildungsprozessen in Politik und Wirtschaft vollkommen legitim ist, wenn dies transparent geschieht und die Intention jederzeit klar ist.“

DRPR-Verfahren 01/2020 Fall: Heinsberg-Protokolle

Der Rat schwächt seine eigene Kritik, wenn in der zentralen Anklage ein Verhalten beanstandet wird, das nach der eigenen Einschätzung eigentlich in der PR vollkommen legitim sei. Ist die Schlussfolgerung, der eigentliche Vorwurf haltbar, Storymachine habe das Ansehen der gesamten Branche beschädigt, wenn gleichzeitig attestiert wird, die Agentur habe sich einer in der PR grundsätzlich akzeptierten Strategie bedient? Es wäre zumindest zu diskutieren. Vor allem, wenn in der Logik des DRPR der Vorwurf der Intransparenz fallengelassen wird.

Was Storymachine jedoch ganz eindeutig vorzuwerfen ist, wird nicht weiter ausgeführt, nur angedeutet: Die Vermischung von PR und Journalismus, die Irreführung der Rezipient*innen der Kommunikation, hier hätten sie es mit einem journalistischen Produkt zu tun. Das aber suggeriert der Begriff „Dokumentation“. Vor allem aber reklamiert Philipp Jessen selbst dieses in einem Interview mit dem Fachblatt „Meedia“:

„Für diese Kommunikations-Aufgabe haben wir uns für eine journalistische Herangehensweise entschieden. Dazu gehört auch eine klare redaktionelle (sic!) Absenderschaft auf den entsprechenden Kanälen – die wir von Beginn an klargemacht haben.“

Klar und deutlich liefert Jessen selbst dem PR-Rat hier die Begründung für den ersten Anklagepunkt, der überprüft worden war: Transparenz der Kommunikation. Aus unerklärlichen Gründen wurde er verworfen, obwohl man ihn mit dem Deutschen Kommunikationskodex hätte begründen können:

„PR-Aufträge und journalistische Aufträge sind strikt getrennt zu halten“

(Deutscher Kommunikationskodex, Absatz 5)

Storymachine hat diese Trennung auch insofern nicht eingehalten, als dass sie sich von Sponsoren für eine interessensgeleitete Kommunikation haben bezahlen lassen und diese zunächst nicht genannt haben.

Vor Schaden bewahren

Ein weiterer Punkt, der nicht aufgegriffen wird: Storymachine hat den Schutz des Auftraggebers sträflich vernachlässigt – und damit ebenfalls gegen den Deutschen Kommunikationsindex verstoßen:

„PR- und Kommunikationsfachleute verhalten sich loyal gegenüber ihren Arbeit- oder Auftraggebern, soweit dies keine rechtlichen Bestimmungen und keine ethischen Normen verletzt. Sie vertreten die Interessen ihrer Auftraggeber, bewahren sie vor Schaden und wehren illegitime Ansprüche ab.“ 

(Deutscher Kommunikationskodex, Absatz 11)

Henrik Streeck, das wissenschaftliche Team, das die Studie unter Hochdruck umgesetzt hat, bis hin zur Kommunikationsabteilung der Universität Bonn, sie alle haben durch die unprofessionelle, intransparente und eigenmächtige Arbeit von Storymachine jedoch deutlich Schaden genommen. Statt der Inhalte der Studie wurde viel zu viel über die zweifelhafte Kommunikation debattiert – das fiel auch auf die Uni Bonn zurück. Streeck muss sich bis heute rechtfertigen: Einen Tag vor der Veröffentlichung der Studie noch betont er in der Zeitschrift Capital, er sei in die Ausarbeitung der Kommunikationsstrategie nicht eingebunden gewesen und habe nichts davon gewusst.

Die Kommunikation der Heinsberg-Studie durch Storymachine hat weitaus mehr angerichtet als dem Ansehen der PR-Branche zu schaden. Es kann nur erstaunen, dass sich darauf das Fazit des PR-Rates beschränkt, das ansonsten eher zurückhaltend relativierend bleibt:

Der Rat hatte den Eindruck, dass hier unprofessionell wie leichtfertig agiert worden ist, und in der Öffentlichkeit dadurch zumindest der Eindruck einer manipulativen Darstellung entstanden ist.

DRPR-Verfahren 01/2020 Fall: Heinsberg-Protokolle

Das Handeln der Agentur Storymachine hat das Ansehen der Wissenschaft gefährdet und wird einige Wissenschaftler*innen darin bestätigen, sich lieber wieder in ihren Elfenbeinturm zurückzuziehen. Und damit steht Storymachine – wohl nicht ganz zufällig – in einer Reihe mit der Bild-Zeitung, die mit der Vereinnahmung von Wissenschaftler*innen für ihre unlauteren Interessen neue Gräben zwischen Wissenschaft, Medien und einer breiten Öffentlichkeit aufreißt – in einer Situation, in der das Gegenteil gefragt ist.

Hintergrund zum DRPR, Website des DRPR

Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) ist das Organ der freiwilligen Selbstkontrolle für das Berufsfeld Public Relations. Der Rat wird rechtlich und ideell von einem Trägerverein getragen und unterstützt, dem die Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG) e.V., der Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP) e.V. und die Gesellschaft Public Relations Agenturen (GPRA) angehören.
Ratsmitglieder sind Branchenexperten aus Unternehmen, Verbänden, Agenturen und anderen Organisationen. Die Arbeit des Rats basiert auf dem Deutschen Kommunikationskodex und anderen, aktuellen Kodizes. Der DRPR handelt in Verantwortung gegenüber dem gesamten Berufsfeld. Die Ratsmitglieder arbeiten unabhängig und sind nur sich selbst und ihrem Gewissen verpflichtet.