In vielen Städten sind heute Menschen auf die Straßen gegangen, um ein Zeichen gegen Pegida zu setzen. Gut und wichtig. In Hamburg waren es laut Bericht des NDR rund 4000 Teilnehmer. Mehrere der Rednerinnen und Redner riefen zum Dialog auf, forderten die Menschen auf, nicht nur gegen Pegida zu demonstrieren, sondern einen Schritt weiter zu gehen und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, die sich den verquarsten Thesen dieser Bewegung verschrieben haben. Ich halte diesen Ansatz grundsätzlich für richtig, auch wenn ich nicht glaube, dass er bei allen Pegida-Anhängern fruchten wird. Es gibt aber keine Alternative, und es hilft auch nicht weiter, diese Menschen allesamt als Nazis abzuqualifizieren. Denn das Brisante ist ja gerade, dass es eben auch Bürgerinnen und Bürger der so genannten Mitte sind, die auf die Straße gehen. Wir müssen überzeugen. Gute Argumente gibt es. Problematisch aber wird es, wenn wir uns im Gespräch auf das Argumentationsniveau von Pegida begeben. So beispielsweise mit der Kosten-Nutzen-Diskussion, wenn es um die Daseinsberechtigung von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland geht.
Zahlenspielereien, die aufs Glatteis führen
In Hamburg war heute wieder ein weiteres Gegenargument zu hören, das ich für nahezu gefährlich halte: In Sachsen sei der Anteil der Muslime so gering, dass die Angst der Pegida-Demonstranten dort vollkommen unbegründet sei, hieß es in einer Rede. Das war in den letzten Wochen immer wieder zu hören und zu lesen, unter anderem in der FAZ:
„Die von Pegida heraufbeschworene Gefahr der Islamisierung scheint in Sachsen nicht gegeben.“
Wer mit diesen Zahlen argumentiert (nur 0,1 Prozent der in Sachsen lebenden Menschen sind Muslime, stellt Spiegel Online im Faktencheck vor, insgesamt also 4000 Menschen), begibt sich auf Glatteis. Denn damit sind wir mitten drin in der Logik von Pegida: Menschen mit muslimischen Glauben könnten eine Gefahr für Deutschland darstellen, wenn sie nur einen bestimmten Bevölkerungsanteil erreichten. Dieser Grundgedanke ist falsch. Egal, ob 0,1 Prozent in Sachsen, acht Prozent in Hamburg und Berlin oder zehn Prozent in Bremen (vgl. Statista für das Jahr 2011): Menschen muslimischen Glaubens stellen grundsätzlich keine Gefahr für Deutschland dar. Gefährlich wird ein Glaube höchstens dann, wenn er in Fanatismus ausartet, und dann ist es egal, mit welchem Glauben wir es zu tun haben. Wir müssen uns also die Argumente gut überlegen, wenn wir gegen Pegida überzeugen wollen. Es wird ein schwieriger Dialog, denn den Ängsten der rechtspopulistischen Bewegung ist mit rationalen Erwägungen nicht beizukommen. Da helfen Zahlen sowieso nicht viel.
Nicht die Fantasien, aber das Phänomen Pegida ernst nehmen
Gleich mehrere Politiker riefen nach dem Erstarken von Pegida dazu auf, man müsse die Befürchtungen dieser Menschen ernst nehmen. Dagegen gab es zu Recht Proteste. Denn das wäre ein Einknicken. Wir dürfen uns sicher nicht auf die wahnhaften Fantasien dieser Bewegung einlassen. Ich halte es auch für falsch, an einem runden Tisch mit den Führern von Pegida zu verhandeln, weil ihre Positionen für mich nicht verhandlungsfähig sind. Aber: Wir müssen ernst nehmen, dass so viele Menschen auf die Straße gehen. Dass Pegida vielleicht nur ein Phänomen in einer Kette von vielen ist, die zeigt: Da ist eine Wut, die sich entladen will. Frust und Unzufriedenheit, für die Sündenböcke gesucht werden.
Ich glaube, dass wir viel zu wenig darüber wissen, woher diese Wut kommt, was die Ursachen des Frusts sind und wer da eigentlich unter der Fahne von Pegida auf die Straße geht. Vermutlich doch sehr verschiedene Menschen. Vielleicht sollte deshalb vor dem Argumentieren überhaupt erst einmal das Fragen kommen. Mit einzelnen Menschen im direkten Gespräch und in allgemeinen Befragungen. Das könnte uns weiterbringen. Fragen sind immer ein guter Einstieg in einen Dialog.
Danke für die guten Gedanken – gefallen mir!
Danke dafür!