Seit Einführung der Elternzeit und der Vätermonate 2007 wird es ein wenig normaler, dass Männer eine Auszeit nehmen, wenn sie Kinder bekommen. Es sind in den meisten Fällen tatsächlich nicht mehr als diese zwei Monate, wobei sie grundsätzlich auch längere Zeit nehmen könnten – die Frauen dann entsprechend weniger. Eine Studie des Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin belegt, dass sich die Elternzeit der Väter positiv auf die partnerschaftliche Betreuung der Kinder auswirkt.

Um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben, reduzieren Väter nicht nur ihre Arbeitszeit, sondern auch ihre Freizeit und verbringen nach der Elternzeit durchschnittlich eine Stunde pro Werktag mehr mit ihren Kindern.

Ein guter Anfang also, der aber längst noch keinen bahnbrechenden gesellschaftlichen Wandel markiert. In den meisten Familien ist immer noch Er für die Sicherung des Familieneinkommens zuständig und Sie hat höchstens die Aufgabe, dazuzuverdienen. Der Wandel ist – glaubt man den Verlautbarungen aus Politik und Gesellschaft – durchaus gewollt. Mehr Frauen sollen Familie und Beruf besser vereinbaren können. Warum kommt es nicht dazu?

Vereinbarkeit – ein Thema nur für Frauen?

Mein Sohn fragte mich neulich nach der Bedeutung von „Vereinbarkeit“. Als ich ihm erklärte, dass das meistens ein Thema für Frauen sei, die Kinder haben und gleichzeitig berufstätig sind und alle Aufgaben unter einen Hut bringen müssten, entgegnete er mir, dass das doch Männer auch betreffe – so wie er das aus unserer Familie und auch aus unserem Mehrfamilienhaus mit 22 Kindern und 30 Erwachsenen kaum anders kennt. Von dieser Selbstverständlichkeit, mit der mein Sohn die Verantwortung der Väter für Familienaufgaben sieht, sind wir gesellschaftlich offensichtlich noch weit entfernt. Es könnte sicher eine Menge der aktuellen Probleme lösen, wenn diese Selbstverständlichkeit sich weiter durchsetzte.

Männer, die auch mit Kindern weiterarbeiten wie vorher

Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und behaupten, dass die Männer, die nach der Geburt ihrer Kinder in Vollzeit und ohne Elternzeit zu nehmen, weiter arbeiten, den längst überfälligen gesellschaftlichen Wandel sabotieren. Sie stabilisieren eine Arbeitswelt, die so lange nach den alten Schemata funktioniert, wie sich die Arbeitnehmer und – oftmals gezwungenermaßen auch die Arbeitnehmerinnen – diesen immer wieder beugen. Sie machen es Unternehmen möglich, Frauen einen Korb zu geben, wenn sie ankündigen, „trotz Kindern“ weiter arbeiten zu wollen. Denn diese Männer arbeiten mit Kindern genauso weiter wie vorher. Das können Frauen in der Regel nicht leisten. Es ist aber das, was in der unternehmerischen Logik meistens noch wünschenswert ist. Es sind die Väter, die bis in die Puppen in Meetings verbringen, wegen der sich andere Väter verteidigen müssen, weil sie nicht bereit sind, das mitzumachen. Und es sind auch die Frauen, die zuhause bleiben, um diesen Vätern, die Vollzeit arbeiten, „den Rücken frei zu halten“, die dieses System stützen.

Auch Väter müssen zum „Risiko“ für Arbeitgeber werden

Ob sich das Problem mit dem demographischen Wandel nicht in einigen Jahren von selbst löst, wenn es sich nämlich kein Unternehmen mehr leisten kann, gut ausgebildete Frauen zu verlieren, wenn sie Mütter werden, möchte ich gar nicht abwarten. Es hilft auch denen nicht, die jetzt vor der Herausforderung stehen, Familie und Beruf zusammenbringen zu wollen. Wenn das für Männer und Frauen möglich werden soll, muss es für alle Arbeitgeber ein „Risiko“ sein, einen Mann einzustellen, weil er irgendwann als Vater vielleicht nicht mehr unbegrenzt verfügbar ist. Arbeitgeber müssen familienfreundlich als väter- und mütterfreundlich verstehen. Die, die argumentieren, dass es die persönliche Entscheidung einer jeden Familie sei, wie sie Beruf und Familie organisieren, haben grundsätzlich Recht. Aber diese persönliche Entscheidung ist eben immer in unserer aktuellen Situation noch immer zugleich eine politische.