Frau Schröder wird in einem neuen Kabinett nicht mehr als Ministerin vertreten sein – diese Nachricht machte seit gestern die Runde. Von Kristina Schröder wurde sie bislang nicht kommentiert. Es bleibt also Spekulation, was der Hintergrund für diesen angekündigten Rückzug sein kann. Ob sie von der eigenen Partei in Hessen weggemobbt wird oder ob der tatsächliche Grund ihre persönliche Entscheidung für ihre Familie ist.
In dieser Situation wissen aber viele, die den Rückzug kommentieren, schon einiges mehr. Sie habe es nicht geschafft, „Familie und Job“ zu vereinbaren, wie sie sich nicht dafür eingesetzt habe, dass das anderen Frauen gelingen kann, ist zu hören. Daran bin ich heute hängen geblieben. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, Kristina Schröder verteidigen zu wollen.
Ist jemand wirklich so naiv, zu glauben, das Amt einer Familienministerin sei „ein Job“, den man in unserer Gesellschaft mit einer Familie vereinbaren könne? Und warum, wenn es denn überhaupt die Motivation für den angeblichen Rückzug ist, dürfen Außenstehende, am besten noch Männer, eine solche ganz private Entscheidung als Scheitern interpretieren? Hat eine Familienministerin nicht wie alle anderen Frauen auch das Recht, selbst zu entscheiden, wie viel Zeit sie mit ihren Kindern verbringen möchte?
Als Frank Walter Steinmeier sich nach der Nierentransplantation seiner Frau entschieden hat, nicht als Kanzlerkandidat anzutreten, wurde diese Entscheidung respektiert. Niemand hat ihm vorgeworfen, gekniffen zu haben, die Herausforderungen nicht angenommen zu haben.
Man könnte Steinmeier wie Schröder fragen, warum sie sich nicht öffentlich dazu äußern, dass es eine grundsätzliche Unvereinbarkeit zwischen politischen Ämtern und Familienleben gibt. Und ob das eigentlich gesetzt ist und so bleiben muss? Wir sind ja weit davon entfernt, in der Politik die Fragen zu stellen, die in ersten, fortschrittlichen Unternehmen gerade aufkeimen: Müssen Meetings nach 17 Uhr wirklich sein? Sind nicht auch Führungspositionen mit dem Modell des Job-Sharings denkbar? Ist permanente Anwesenheitspflicht wirklich notwendig? Muss eine Führungskraft (eine Ministerin) wirklich so viel Zeit für repräsentative Pflichten investieren?
Was immer hinter dem angesagten Rückzug stehen mag: Ich warte auf den Tag, an dem Politikerinnen und Politiker fordern, dass es neben einem politischen Amt ein Familienleben geben können muss. Ich wünsche mir Frauen und Männer in der Politik, die beides leben können.
Nachtrag vom 23.9.2013: Kurz nach Verkündigung der Hochrechnungen zur Bundestagswahl 2013 erklärt Kristina Schröder ihren Rückzug vom Ministeramt. Heimlich, still und leise. Familie hat Priorität für sie, maßgeblich war die Erfahrung, viel zu wenig Zeit für ihre Tochter zu haben. Eine Entscheidung, die für mich nachvollziehbar und weiterhin zu respektieren ist. Insgesamt aber ein sehr braver Rückzug. Kristina Schröder meint, mit einer kurzen Zeit des Durchhaltens bewiesen zu haben, dass grundsätzlich alles möglich sei:
„Und deswegen bedeutet mein Schritt auch nicht, dass ein Ministeramt prinzipiell nicht mit einer Familiengründung vereinbar ist. Ich habe das ja in den letzten Jahren selbst hinbekommen, zusammen mit meinem Mann.“
Doppelte Verneinungen lassen mich immer aufhorchen. Es war wohl nicht zu erwarten, dass Kristina Schröder den Rückzug aus ihrem Amt mit einer Kritik an der Unvereinbarkeit von politischer Verantwortung und Familie verbindet. Oder gar mit Entwürfen, wie das alles anders aussehen könnte. Ein solches Amt ließe sich ja zum Beispiel durchaus auch teilen. Dass Kritik und das Nachdenken über Alternativen ausbleiben, ist eine vertane Chance und schade für alle Mütter, die nach ihr kommen könnten. Und für alle Väter, die weiter im Amt bleiben und „schöne Situationen im Leben ihrer Kinder“ verpassen werden.